Die Geschichte vom Glockenstehlen


Als der l. Weltkrieg auf seinem Höhepunkt stand und in unserem Lande das Material für Kanonenkugeln knapp wurde, mußte manche Kirchenglocke ihr Leben lassen. Sie wurden von den Türmen geholt und eingeschmolzen. Auch die Stallwanger Kirchenglocke war für diesen Zweck bestimmt. Soldaten trafen ein und wollten sie abtransportieren.

Zuvor stärkte man sich noch mit einer kräftigen Brotzeit und vor allem mit Bier. Die braven Vaterlandsverteidiger tranken Maß um Maß, bis es des Guten zu viel wurde. Sie vergaßen die Kirchenglocke und schliefen ein. Im damaligen Vereinslokal heckten mutige Bürger aus der Pfarrei einen Plan aus, der wohl Seltenheitswert hat. Sie wollten ihre eigene Glocke nicht zweckentfremden lassen und stahlen sie den Soldaten. In der Nacht besorgten sie einen großen Wagen, brachen das zu kleine Friedhofstor auf, luden die schwere Glocke auf und zogen den Wagen ohne viel Geräusch in Richtung Ried, um sie in einem Heustadel zu verstecken. Dort angelangt, war ihnen aber das Versteck zu unsicher. Man fuhr mit der schweren Last auf einer anderen Straße wieder in Richtung Stallwang, um sie im Eiskeller der damaligen Binderwirtschaft zu verstecken. Die Wirtin, die von dem Vorhaben wußte, gestattete es aber den Männern nicht mehr und so mußte man wieder weiter. Nun entschloß man sich, die Glocke in einem weiter entfernten Wald zu vergraben und so geschah es auch.

Unter den Teilnehmern und Mitwissern wurde strengstes Stillschweigen vereinbart. Um aber an hinterlassenen Spuren nicht zu scheitern, wurde die Stelle mit einem Reisighaufen verdeckt. Ein Teilnehmer mußte am nächsten Morgen gleich Mist ausfahren, ein anderer streute Schnupftabak, um auch Suchhunden keinen Erfolg zu gestatten. Alles Suchen von Polizei und Soldaten half nichts, selbst der Pfarrer, der die Diebe aufrief, die Glocke wieder beizubringen, konnte die Leute nicht umstimmen. Als der Krieg zu Ende war und an eine Rückkehr der Glocke nicht mehr gedacht wurde, lüfteten die Männer ihr Geheimnis. 1919 wurde die Glocke feierlich an den für sie bestimmten Platz gebracht und ein zweites Mal geweiht. Es wurde vereinbart, nach dem Ableben der beteiligten Personen eine Stunde mit dieser Glocke zu läuten.

Leider hängt diese Glocke nicht mehr in Stallwang; denn der 2. Weltkrieg verschonte auch sie nicht. Man erinnert sich aber noch gerne an die Geschichte und an die Personen.

von Gerd Baumgartner